Dolmetscher und Übersetzer auf Fashionshow
Mein ganzer Sinn für das Schöne und mein Wille, brillante Modeübersetzungen zu schaffen, waren vorhanden, doch manchmal wurden die Antworten so nachlässig gegeben, dass ich gar nicht wusste, ob sie wert waren, gedolmetscht zu werden. Erst wenn ich betreten schwieg, blickten die andern auf und strengten sich dann etwas mehr an. Diese Technik muss ich mir merken. Zum Schluss waren die Interviews alle unter Dach und Fach. Die Fashion News gingen in den Print. Als Übersetzer hofft man nur eins, dass der Text, der übersetzt wurde, gedruckt wird, und dass es nicht nötig ist, ihn zu verbessern.
„Ist es Ihnen ein Bedürfnis zu arbeiten?“ Das war eine der wichtigsten Fragen, die ich den Interviewten zum Beispiel auf Spanisch, Englisch und Portugiesisch stellen musste. „Das Bedürfnis zu arbeiten“, ging es mir durch den Kopf. Habe ich als Übersetzer und Dolmetscher in der Fashionbranche ein Bedürfnis zu arbeiten? Ja, ganz ohne Zweifel. Mich interessiert gar nicht so sehr das Entstandene, das Gewesene, das gedruckte Wort.
Mich interessiert vor allem das, was ich gerade mache: das Dolmetschen, das Übersetzen, das Erschaffen von Worten, von Sätzen, von Konstruktionen, die etwas Eigenes sind. Mich interessiert einzig und allein, was ich mache. Damit bin ich fast schon wie ein Designer. Ich lebe, indem ich arbeite. Ich erschaffe neue Texte. Fashiongenies erschaffen neue Kreationen. So verschieden sind wir nicht. Die Fashiondesigner schaffen Modekreationen - ich die dazu passenden Wortkreationen. Das ist mein Leben, und ich liebe es. Es ist das Lebendige, das Formbare der Sprache, das mich fasziniert. Ich liebe das Dolmetschen und Übersetzen, solange ich es mache.
Interview mit dem Fashion-Schöpfer – Deutsche Übersetzung: „Sie sind in der amerikanischen Fashion-Szene die absolute Neuentdeckung, der Shootingstar. Wie fühlen Sie sich, wenn sich nun alle Augen auf Sie richten?“
„Ich finde es einfach grandios. Wer Fashion schafft, der hat eine Berufung. Ich wusste schon immer, dass ich eine Berufung habe. Ich wollte zeichnen, mit meiner Fashion das Leben bunter machen. Und dabei für jeden meiner Kundinnen etwas Eigenes schaffen. Denn jede Frau ist anders, jede Frau sieht sich anders. Manche ist selbstverliebt und kann gar nicht genug Aufmerksamkeit von Anderen bekommen – für sie arbeite ich zum Beispiel anders als für eine Fashion Kundin, die sozusagen mit dem Weichzeichner gestaltet werden muss, die noch gar nicht Ihre eigene Form gefunden hat. Manche Kundinnen müssen es erst lernen, einen Blick für sich selbst zu haben, bevor sie sich selbst inszenieren können. Wenn man lange Zeit ohne Außenspiegel unterwegs ist, beispielsweise weil die Familie keinen Rückhalt gibt und man daher in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, dann braucht man eine Mode, die dem Menschen hilft, sich selbst zu entdecken. Es ist ja nicht so, dass sich diese Menschen komplett aus den Augen verloren haben, doch sie haben den Sinn für ihren Wert verloren. Und hier muss man ganz behutsam an der äußeren Form arbeiten.“
„D.h. also, Sie gehen je nachdem, für wen Sie ein Kleid oder ein Kostüm designen, anders vor?“
„Das ist richtig. Ich bin sogar der Meinung, dass in der heutigen Zeit schon viel zu viel Formverlust existiert. Daher versuche ich meine Fashion form- und figurbetont zu gestalten, einerseits sexy, aber dennoch elegant.“
„Haben Sie Angst, dass Sie aus dem Fashion-Olymp wieder verschwinden könnten, so rasch wie sie aufgestiegen sind?“
„Oh, das ist eine harte Frage. Aber ja, ich hatte schon genügend abschreckenden Beispiele von mir. In der Fashion Szene tut sich viel. Einige schaffen es, sie haben den Ruhm, den sie verdient haben. Doch dann hört man plötzlich nichts mehr von Ihnen. Und manche von ihnen waren tatsächlich wirkliche Genies. Doch sie zerbrachen an sich selbst. An Ihren eigenen Zweifeln. Manche zerstörten sich selbst. Alkohol, Tabletten, die einerseits aufputschen sollten und vor der großen Fashion Show noch einmal extra Energie geben sollten, all diese Genies der Fashionbranche haben sich früh selbst zerstört. So bin ich nicht. Ich habe einen gesunden Selbsterhaltungstrieb. Ich bin vielmehr der Meinung, dass nicht nur allein das Genie oder die göttliche Gabe einen befähigt, in der Fashion-Welt voran zu kommen, sondern der Fleiß. Es ist das Beständige, was letztendlich bleibt. In der amerikanischen Modeszene zu bleiben, das ist mein Ziel.“
„Was unterscheidet Sie von anderen Designern im Luxussegment?“
„Keine Ahnung. Ich schaue nicht so viel rechts und links.“
„Es geht in der Top Fashion ums Haben und Besitzen, also um Konsum, mehr noch, um rein Äußerliches, also um den schönen Schein. Und dazu fühlten Sie sich berufen? In der Presse schrieb man von Ihnen, dass Sie eine außerordentliche Begabung hätten, Illusionen zu schaffen.“
„Wie meinten Sie das? Meine Fashion als reine Illusion? Oh, wenn alle so denken würden, wäre meine Arbeit der reinste Widerspruch. Ist Schönheit denn Illusion?“
„Ich stelle die Frage anders. Fühlten Sie sich schon immer berufen, Mode zu schaffen?“
„Es gab eigentlich immer nur eines, was mich interessierte, schon als ganz kleiner Junge: Buntstifte und Papier. Ich muss einfach zeichnen. Ich träume und zeichne. Es ist eine Art Wachtraum oder Traumwachheit. So entstehen meine Kreationen am Zeichentisch.“
„Also fernab der Realität?“
„Möglich, aber ich habe den gewissen Blick. Ich bin ein guter Beobachter. Sozusagen ein Gigant der Wahrnehmung. Mit meiner Fashion kann ich die Wahrnehmung, die ich von einer Person habe, verstärken. Das ist mein Credo. Das ist mein Beitrag zur Fashion. Ich gebe Formgebung einer bereits vollendeten Form: der Natur der Frau.“
Übersetzungen von Fashion News sind das pure Gegenteil unseres Alltags im Übersetzungsbüro. Denn Übersetzer arbeiten meist verborgen, ungesehen an einem Schreibtisch. Der einzige Begleiter ist die Tastatur. Wenn man ständig auf den Bildschirm schaut, dann hat man kaum noch einen Blick für sich selbst, geschweige denn für Fashion. Und so war das Dolmetschen dieses Interviews und seine Übersetzung in die deutsche Sprache für uns eine Konfrontation mit einer ganz anderen Realität. Mit einer Welt des Überflusses: überschäumende Formen, kostbarste Materialien und Stoffe und extravagante Stile.
Übersetzer im Fashion-Segment können sich das, worüber sie Übersetzungen anfertigen, in der Regel nicht leisten. Natürlich würden wir uns nicht als Gestrandete der Gesellschafft sehen, doch die Fashion-Welt ist für Übersetzer in der Regel etwas, das man im Fernsehen sieht. Fashion ist für uns Übersetzer etwas Erhabenes, das den Trägerinnen noch mehr die Optik des Unantastbaren verleiht. Doch jetzt ging es darum, mit den Stars und Sternchen, mit den Modekreativen und den Models direkt zusammen zu arbeiten. Die Interviews erfolgten im Fünfminutentakt. Da hat man als Übersetzer und Dolmetscher in Fashion gar nicht die Zeit, sich zu fragen: „Ist es mir gelungen?“ Die Fashion News zu übersetzen, ist Abwechslung pur. Die Übersetzungen sind so verschieden, wie die Interviewten. Man muss in der Welt der Schönen und Reichen das Allerwichtigste besitzen: Keine Furcht! Und keine Scheu vor dem Haben und Besitzen angesichts von Modekreationen, die den Wert eines Kleinwagens haben. Ob es uns gelang? Vielleicht nicht immer. Doch wer kam nicht schon einmal in die Verlegenheit, jemanden zu interviewen, der in der Fashion sehr berühmt ist, doch dessen Namen man nicht einmal kannte. Fashion News zu übersetzen ist aufregend, aber auch schlauchend. Stets musste ich an die einzige Kraft in mir appellieren, die mir blieb. Meine Disziplin, mein Durchhaltevermögen. Auf einer Fashionshow geht es zu, wie in einem Bienenstock. Alle im Übersetzungsbüro wollten nach der Fashionshow wissen, wie es ist, zwischen den eleganten Models und Designern umherwandeln zu dürfen. Und ich sagte nur: „wie in einem Bienenstock“.